Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill |
Wie
viele Anekdoten benötigt ein Film, um selbst ganz Anekdote zu werden?
Zahlreiche, möchte man meinen und eben jene zahlreichen „Geschichtlein“
begegnen uns in der filmischen Arbeit von Christoph Böll „Sehenden Auges“. Sie
alle drehen sich um Max Imdahl, den Bochumer Kunsthistoriker, der im Jahr 1965
den ersten Lehrstuhl des Fachbereichs Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität
Bochum übernahm und heute ein Vorbild für viele ist.
Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill |
Die visuelle Auseinandersetzung
mit dem Werk war seine Voraussetzung für die kunsthistorische Arbeit.
Ikonographie und kunsthistorische Kontexte hätten hinten angestanden,
suggeriert uns der Film. Imdahls Vorlesungen waren gut besucht, Studenten aus
Wien und anderen Universitätsstädten mit langer Tradition reisten nach Bochum,
wo die Hochschule noch aus dem Boden gestampft werden musste. Sie schätzten
sein offenes Ohr und seine Art, ungewöhnliche Fragen zu stellen.
Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill |
All
dies erfahren wir in Bölls Film. Und noch vieles mehr. Imdahl als Erster, der
sich mit Arbeitern über Kunst unterhält; Imdahl, der Lehrer, der drei Stunden
lang mit seinen Studenten Schallplatten hörte; der Dozent, der seine Hilfskräfte
und Assistenten um ehrliche Meinungen bat und sie beim Zusammenstellen seiner Sätze
aus einzelnen ausgeschnittenen Worten zu Hilfe zog. Phrasen und allerlei Aussprüche
Imdahls schildern uns seine ehemaligen Schüler zu genüge in dem Filmmaterial.
Sie reflektieren über seine Arbeit, speisen die Geschichten aus ihrer
Erinnerung und das begegnet uns eben hauptsächlich in Bölls Arbeit:
Erinnerungen an den großen Max Imdahl.
Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill |
Sie glorifizieren ihn zwar nicht, lassen
ihn selbst aber – wenn mit Sicherheit auch ungewollt – zur Anekdote werden. Der
Wissenschaftler im Kunsthistoriker wird kaum ans Tageslicht gebracht. Denn
keineswegs vernachlässigte Imdahl Ikonographien und kunsthistorische Kontexte,
er kannte sein Handwerkszeug und arbeitete damit, wenn auch sein Ansatz vom
Bildmaterial ausging. Ebenso wird der Künstler Imdahl, der er zu Beginn und zum
Ende seines Lebens war, kaum erwähnt.
Christoph Böll |
Den Zuschauer erwarten 110 Minuten voller
Erinnerungen der Schüler an ihren Lehrer und seine Person. Untermalt wird der
Film von fernöstlichen Motiven, klassischer Musik wie Beethoven oder
Ausdruckstanz-Einlagen. Beethoven ließe sich wohl deswegen rechtfertigen, weil
Imdahl die Eroica seinen Schülern immer wieder vorspielte und sie als
Inspiration wählte. Aber sowohl die Fernost-Sujets als auch der Ausdruckstanz
scheinen mehr Lückenfüller oder ästhetisches Mittel zu sein, als eine Aussage
machen zu wollen. Böll überrascht weder mit den Kameraeinstellungen noch durch
den Inhalt. Die ersten zwanzig Minuten sind sehenswert, die restlichen Neunzig
eine Wiederholung des Anfangs.
Liza
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