Dienstag, 6. August 2013

Christoph Böll: „Sehenden Auges“ - Von Anekdote zu Anekdote

Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill


Wie viele Anekdoten benötigt ein Film, um selbst ganz Anekdote zu werden? Zahlreiche, möchte man meinen und eben jene zahlreichen „Geschichtlein“ begegnen uns in der filmischen Arbeit von Christoph Böll „Sehenden Auges“. Sie alle drehen sich um Max Imdahl, den Bochumer Kunsthistoriker, der im Jahr 1965 den ersten Lehrstuhl des Fachbereichs Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum übernahm und heute ein Vorbild für viele ist. 

Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill

Die visuelle Auseinandersetzung mit dem Werk war seine Voraussetzung für die kunsthistorische Arbeit. Ikonographie und kunsthistorische Kontexte hätten hinten angestanden, suggeriert uns der Film. Imdahls Vorlesungen waren gut besucht, Studenten aus Wien und anderen Universitätsstädten mit langer Tradition reisten nach Bochum, wo die Hochschule noch aus dem Boden gestampft werden musste. Sie schätzten sein offenes Ohr und seine Art, ungewöhnliche Fragen zu stellen.

Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill

All dies erfahren wir in Bölls Film. Und noch vieles mehr. Imdahl als Erster, der sich mit Arbeitern über Kunst unterhält; Imdahl, der Lehrer, der drei Stunden lang mit seinen Studenten Schallplatten hörte; der Dozent, der seine Hilfskräfte und Assistenten um ehrliche Meinungen bat und sie beim Zusammenstellen seiner Sätze aus einzelnen ausgeschnittenen Worten zu Hilfe zog. Phrasen und allerlei Aussprüche Imdahls schildern uns seine ehemaligen Schüler zu genüge in dem Filmmaterial. Sie reflektieren über seine Arbeit, speisen die Geschichten aus ihrer Erinnerung und das begegnet uns eben hauptsächlich in Bölls Arbeit: Erinnerungen an den großen Max Imdahl. 

Christoph Böll: Sehendes Auge, Filmstill

Sie glorifizieren ihn zwar nicht, lassen ihn selbst aber – wenn mit Sicherheit auch ungewollt – zur Anekdote werden. Der Wissenschaftler im Kunsthistoriker wird kaum ans Tageslicht gebracht. Denn keineswegs vernachlässigte Imdahl Ikonographien und kunsthistorische Kontexte, er kannte sein Handwerkszeug und arbeitete damit, wenn auch sein Ansatz vom Bildmaterial ausging. Ebenso wird der Künstler Imdahl, der er zu Beginn und zum Ende seines Lebens war, kaum erwähnt. 

Christoph Böll

Den Zuschauer erwarten 110 Minuten voller Erinnerungen der Schüler an ihren Lehrer und seine Person. Untermalt wird der Film von fernöstlichen Motiven, klassischer Musik wie Beethoven oder Ausdruckstanz-Einlagen. Beethoven ließe sich wohl deswegen rechtfertigen, weil Imdahl die Eroica seinen Schülern immer wieder vorspielte und sie als Inspiration wählte. Aber sowohl die Fernost-Sujets als auch der Ausdruckstanz scheinen mehr Lückenfüller oder ästhetisches Mittel zu sein, als eine Aussage machen zu wollen. Böll überrascht weder mit den Kameraeinstellungen noch durch den Inhalt. Die ersten zwanzig Minuten sind sehenswert, die restlichen Neunzig eine Wiederholung des Anfangs. 

Liza

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