Donnerstag, 14. Februar 2013

Erste Eindrücke der Ausstellung: David Hockney – Ein Auftakt


Kräftiges Lila, Kobaltblau, variierende Gelbtöne. In seiner vollkommenen farbigen Pracht springt
dem Betrachter Hockneys „Winter Timber“ von 2009 entgegen, fasziniert und lässt bei den
Kunstbewanderten Assoziationen zu van Gogh (Duktus), der französischen
Impressionistenbewegung (Freiluftmalerei) oder Malern wie Henri Matisse (Farbigkeit)
aufscheinen. Als ich selbst vor dem Ölgemälde stand, hatte ich sofort einen Begriff im Kopf.
„Schön“, dachte ich. „Aber nichts neues“, meldete sich eine kritische Stimme in meinem
Hinterkopf. Wahrlich sagt Hockney zwar: „Wer etwas Neues schaffen will, muss die
Vergangenheit kennen. Andernfalls wüsste er nicht, was neu ist.“ Und trotzdem frage ich mich,
ob es tatsächlich eine kluge Idee des Museum Ludwig war, „Winter Timber“ als Aushängeschild
der Ausstellung zu wählen, die mit so viel mehr als Ästhetik und Verweisen auf die
Vergangenheit begeistern kann.


Bekannt wurde David Hockney vor allem durch seine Swimmingpool-Werke in den 1960ern.
Doch in den vergangenen fünfzehn Jahren interessierte sich der Künstler zunehmend für die
Landschaft seiner Heimat, Yorkshire in Nordengland. Sie ist Sujet der meisten in Köln gezeigten
Werke. Und wahrlich zeigt Hockney, dass er die Wälder, Felder und Wiesen seiner Jugend wie
seine Westentasche kennt. Und umso fantastischer sich die Farben und Formen zeigen, umso
mehr fühlt sich der Betrachter in eine märchenhafte Umgebung gestellt. So bemerkt er nur
allmählich, dass es sich nicht bei allen Bildern um die klassischen Ölgemälde handelt.


In „Yosemite I, October 5th 2011“ erkennen wir eine Landschaft mit Bäumen und Bergen, die
aus dem Wasser ragen. Die Szenerie wird überspannt von Nebel und Wolken und verleiht dem
Werk seinen diffusen Charakter. Beim Betreten des Raumes entsteht im Bewusstsein des
Besuchers bereits Irritation, aber nur langsam schlägt sie ihre Bahnen und erst Face-to-Face mit
„Yosemite“ bricht sie an die Oberfläche. Denn es handelt sich hierbei keineswegs um ein Werk
in Öl, sondern um eine iPad-Zeichnung. Gedruckt wurde sie auf sechs Papierbögen (3,64 m x
2,72 m). Warum Hockney sein iPad für seine künstlerische Arbeit nutzt, ist wohl zum einen der
dadurch erzeugten hohen Geschwindigkeit der Bildentstehung geschuldet. Zahlreiche Künstler
vor Hockney – wie Picasso beispielsweise – liebten die Geschwindigkeit beim
Entstehungsprozess ihrer Werke, die Idee einer Art rauschhaften Arbeitens. Bedenkt man ferner,
dass Hockney in der freien Natur, selbst im tiefsten Winter, seiner Arbeit nachgeht, dann scheint
ein Medium wie das iPad hervorragend geeignet. Denn durch die verschiedenen Tools der
Malprogramme ist nicht nur ein schneller Wechsel zwischen den Farben möglich, ohne das
Anmischen solcher erforderlich zu machen, sondern es kann auch zwischen den Pinselbreiten
und dem Duktus und Farbauftrag rasch gewechselt werden. Gewahr wird dies vor allem beim
Anblick der Wolken und der Nebelschwaden in Yosemite.

Die iPad-Arbeiten lassen sich übrigens nicht nur ausgedruckt auf Papier bestaunen, sondern
zeigen sich auch in ihrer ursprünglichen Form, auf den in der Ausstellung die Wände zierenden
Displays. Wir sehen Hockney aber auch selbst bei der Arbeit, den Entstehungsprozess einiger
Werke und kleine Videos. Überraschenderweise ist es nicht möglich für die Besucher, selbst jene
iPad-Programme auszutesten, wie es beispielsweise die Tate Modern in London anbietet. Und
das obwohl „anfassen, mitmachen, selbstmachen“ durchaus immer wichtiger werden für
erfolgreiche Ausstellungen im Kunst- und Kulturraum.


Dieser Punkt bringt mich nun zur letzten und für mich wohl eindrucksvollsten Arbeit in der
Kölner Schau. Es handelt sich dabei um die Installation der vier Jahreszeiten. Zu sehen ist die
gleiche Landschaft im Frühling, Sommer, Herbst und Winter, jeder Wandseite ist eine Jahreszeit
zugewiesen. Der ohnehin schon kleine Raum wird durch diese Installation erdrückend und es
gibt keine Flucht fürs Auge. So oder so muss man sich entscheiden, ob man im Raum verweilen
will und sich mit dem Gezeigten auseinandersetzt oder schleunigst den Ort verlässt. Sollte man
sich allerdings zum Bleiben entschließen, so wird man der seltsamen Zusammenstellung der
Installation gewahr. Sie besteht aus neun Screens, die nahtlos aneinander gesetzt sind, doch die
darauf gezeigten Videos passen in ihren Versatzstücken nicht zusammen. Die von unseren
Sehgewohnheiten erwartete Zentralperspektive erhält keinen Einzug in Hockneys Installation.
Und durch die nur geringen Unstimmigkeiten versucht man verzweifelt, den doch sonst vom
Künstler gewünschten festen Betrachterstandort zu finden. Ein Ding der Unmöglichkeit. Doch
auf diese Weise versetzt Hockney die Besucher in Bewegung, sowohl in physischem Sinne als
auch auf geistiger Ebene.



Multi-Fokus-Film heißt diese von Hockney benannte Aufnahmetechnik und ist meiner Meinung
nach das Herzstück dieser Ausstellung. Ein Besuch ist lohnenswert, die Ausstellung endet am 03.
Februar 2013. Öffnungszeiten und mehr findet ihr unter folgendem Link: 

http://www.museumludwig.de/

Liza





Dienstag, 12. Februar 2013

Statusmeldung


Gillian Wearing: Signs that say what you want them to say and not Signs that say what someone else wants you to say, 1992-93, C-Prints auf Aluminium, 44,5 x 29,7 cm.


In der Zeit des Social Networking hat jeder einen Status und kennt auch den der anderen User. Facebook fragt „Wie fühlst du dich?“ und man antwortet. Der Wahrheitsgehalt dieser Äußerungen lässt sich jedoch stark hinterfragen, da wir uns jederzeit bewusst nach Außen repräsentieren. Diese Form des täglichen Theaterspielens interessiert auch die britische Künstlerin Gillian Wearing. In der Ausstellung „Selfmade“ im Düsseldorfer K20 leitete Wearings berühmte Signs-Serie (1992-93) in die Materie ein.

Gillian Wearing: Signs that say what you want them to say and not Signs that say what someone else wants you to say, 1992-93, C-Prints auf Aluminium, 44,5 x 29,7 cm.

Es handelt sich dabei um 70 Fotoarbeiten, die Personen darstellen, die selbst beschriftete Schilder vor sich halten. Wie der Titel der Serie es passend vermittelt, handelt es sich hier um „Schilder, die sagen, was du mit ihnen sagen willst und nicht  [um] Schilder, die sagen, was jemand anderes will, dass du es mit ihnen sagst“.

Gillian Wearing: Signs that say what you want them to say and not Signs that say what someone else wants you to say, 1992-93, C-Prints auf Aluminium, 44,5 x 29,7 cm.

Die Fotografien bieten sehr viel Interpretationsraum an. Wir können ein Portrait eines Menschen sehen, dass außer der ästhetischen Ebene auch eine Textebene beinhaltet. Text und Bild können dadurch verglichen und auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Es entsteht in manchen Fotografien ein logisches Zusammenspiel und in anderen ein verstörendes Gefühl, da sich Gesichtsausdruck und Botschaft nicht decken. Wearing reißt mit diesen Arbeiten gekonnt die Fassaden der Menschen ein.

Gillian Wearing: Signs that say what you want them to say and not Signs that say what someone else wants you to say, 1992-93, C-Prints auf Aluminium, 44,5 x 29,7 cm.

„Was die Leute als menschliche Maske von sich zeigen (...), weicht offenbar von dem ab, was innen vor sich geht. Es gibt immer ein Ungleichgewicht und das interessiert mich.“ Gillian Wearing, 1998

Obwohl die Fotoarbeiten vor der Zeit des Social Networking entstanden sind, treffen sie genau den Nerv der Zeit und legen einen empfindlichen Bereich unseres Soziallebens frei. Was zeige ich von mir und was lasse ich nicht nach außen dringen? Wie ist dein Status?

Lara

Mittwoch, 6. Februar 2013

Hockneytopia




David Hockney: May 12th 2011, Rudston to Kilham Road 5, 18 Screen Video, Filmstill.

Eine Aneinanderreihung von Screens vereint sich im Eingangsbereich der David Hockney Ausstellung im Museum Ludwig zu einer gewaltigen Videoinstallation. Wir sehen Ausschnitte englischer Landschaften, die sich an uns langsam vorbeischieben. Besucher kommen und gehen, meistens nach ein paar Sekunden. Sind die Landschaftsinstallationen on Hockney wirklich so schnell zu fassen und nur eine digitale Version des bekannten Sujets? Wir bleiben sitzen und geben dem ganzem Zeit. Das Auge erfasst die eigenartigen Verschiebungen, die dem gerasterten Bild inne wohnen. Was ist mit der Zentralperspektive geschehen? Es kommt der Verdacht auf, dass Hockney diese nicht leiden kann. Auch gibt es noch viel mehr Störfaktoren in seinen bewegten Bildräumen zu finden. Filter, Farben und Bildschärfe scheinen sich stetig zu verändern und lassen unser Auge entdeckungsfreudig über die vielen Screens wandern. Ich fühle mich an das aufbrechen des gewohnten Blickfeldes durch ein Kaleidoskop erinnert. Solch einem Landschaftserlebnis habe ich noch nie beigewohnt.

David Hockney: November 7th and November 26th, 2010, Wolgate Woods, 9 Screen Video, Filmstills.

Es gibt noch viele solcher Installationen in der Ausstellung „A Bigger Picture“ zu entdecken. Besonders imponiert der vier Jahreszeiten Raum, in dem man von vier Bildschirmgruppen umringt wird. Alle zeigen parallel dieselbe Landschaft zu verschiedenen Jahreszeiten. Hier wird am deutlichsten, dass die zeitliche Ebene in Hockneys Arbeiten eine große Rolle spielt. Installationen sind wegen der Fixierung der Bilder durch das Medium Film sowieso an die zeitliche Ebene gebunden. Doch scheint die Zeit in Hockneys Installationen viel langsamer als gewohnt zu verlaufen. Außerdem ermöglichen sie das gleichzeitige Sichtbar-sein von physischen Zuständen.

David Hockney: The Tunnel, April 20th 2011, 5pm, (links), May 19th 2011, 8.10am (rechts), 9 Screen Video, Filmstills.

Die Andersartigkeit und das Infragestellen unserer Wahrnehmungskategorien, wie die Zentralperspektive machen Hockneys Installationen zu heterotopischen Bildräumen. Michel Foucault verwendete den Begriff der Heterotopie, um Räume zu beschreiben die von der vorherrschenden Norm abweichen. Hockney stellt unsere Sehgewohnheiten in Frage indem er die Zentralperspektive aufbricht und bekannten Vorstellungen von Landschafts-darstellungen unterläuft. Diese Heterotopien ermöglicht uns eine neue Wahrnehmungs-erfahrung, indem sie uns verunsichern, den gewohnten Blick negieren und somit unsere kulturellen Gewohnheiten reflektieren. Also Augen auf und viel Spaß im Hockneytopia.

Lara