Samstag, 10. August 2013

Blicke, Macht, Kultur – Pomian schreibt über den Ursprung des Sammelns

Johann Zoffany: Die Tribuna der Uffizien, Öl auf Leinwand, 123,5 cm x 155,0 cm, Uffizien, Florenz.


Was und warum sammeln wir? Diese Frage stellt sich Krzysztof Pomian in seinem Buch „Der Ursprung des Museums – Vom Sammeln“. Seine offene Fragestellung bietet ihm die Möglichkeit über mehr als Kunstsammlungen zu sprechen und öffnet den Diskurs einem nominalistischen Ansatz.

Wenn wir ein Artefakt dem ökonomischen Kreislauf entziehen, verliert es seine Nützlichkeit und erweitert seinen Wert vom reinen Tausch- und Gebrauchswert um seine individuelle Bedeutung. Jene Bedeutung ist keine Konstante, sondern eine fließende und zeitliche Eigenschaft, die von sozialen und gesellschaftlichen Fakten beeinflusst ist. Erst die Kultur stellt diese Sammelobjekte, die Pomian Semiphoren nennt her. Semiphoren sind Objekte ohne Nützlichkeit, die mit Bedeutung belegt sind.

Diesen Sammelobjekten wohnt eine Kraft inne, die Menschen dazu bewegt, sich um sie herum zu versammeln und beispielsweise gestische Aktivitäten zu vollziehen. Pomian bringt dazu zahlreiche Beispiele, wie Objekte, die in Kirchen, Tempel, oder Museen angesiedelt sind. Man stelle sich den Ablauf einer christlichen Messe, oder einen Gang durch ein Museum vor. Es lässt sich hier eine Verbindung zur Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour aufzeigen, da auch er den Dingen/Aktanten eine Handlungsmacht zuspricht.

Die Rolle des Blickes in Bezug auf Semiphoren ist ebenfalls ein interessanter Ansatz von Pomian. Bedenkt man Grabbeigaben und Schatzkammern, die nur für den Fürsten zugänglich sind, wird die Exklusivität des Blickes auf diese Objekte deutlich. Es kann ein Objekt nicht nur für einen menschlichen Blick bestimmt sein, sondern auch für andere Existenzen, wie beispielsweise Götter und Heilige.

Wir sammeln und stellen diese Objekte nicht bloß für unsere Augenlust aus. Es geht auch um Machtverhältnisse. Der Herrscher sammelt seltene Objekte in seiner Schatzkammer, um seine Macht zu demonstrieren und Statusbildung zu fördern. Es überträgt sich die Bedeutung, die von den Semiphoren ausgeht, auch auf deren Besitzer. Sie ziehen den Blick auf sich und stellen Macht aus.

Was früher die Schatzkammern der Kirche und der Fürsten war, ist heute das Museum. Die Öffnung und Zugänglichkeit von Sammelobjekten hat einen entscheidenden Wandel erfahren, indem die Privatsammlungen zur Schatzkammer des Volkes konvertiert wurden. Die Huldigung der Kunst hat sich zum neuen Kult des Volkes transformiert. Sammlungen von Semiphoren dienen der Selbstbeschreibung der Nation. Sie sind zukunftsgerichtet und gleichzeitig zur Vergangenheit gewandt. Eine Kultur konstruiert sich selbst und baut ihre Definition aus, indem sie ihre Macht demonstriert spezifische Sammlungen zu erstellen.

Pominas Buch ist definitiv einen Blick wert, da es unsere Rolle als Betrachter, Gesellschaft und auch als Kunsthistoriker untersucht. Er nutzt zahlreiche Beispiele und schreibt sehr unterhaltsam. So angenehm können also auch theoretische Ansätze vermittelt werden.

Lara

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