Mittwoch, 3. April 2013

Camp is not dead!




Julia Stoschek konzentriert sich in ihrer Ausstellung Number 6: Flaming Creatures auf den Kunsttypus Camp, der alle Arbeiten dieser Ausstellung verbindet. Namensgebend ist der Film des US-amerikanischen Künstlers Jack Smith, der die maßgebende Rolle der Ausstellung einnimmt. Flaming Creatures entstand 1963 und wurde wegen seiner sexuellen Obszönität in den USA stark verurteilt. Jack Smith sorgte mit diesem Film für einen die Gesellschaft erschütternden Skandal, sodass die Filmaufführungen systematisch verboten und das Filmmaterial von der Polizei konfisziert wurde.

Jack Smith: Flaming Creatures, 1963, Film, schwarz/weiß, Ton, Filmstill.

Ich fragte mich, ob Kunst aus den 60ern und 70ern für mich immer noch „campy“ sein würde, oder ob mich mein Alter und meine Medienerfahrung schon diesem Phänomen gegenüber abgebrüht hat. Doch tatsächlich haben die Arbeiten von Bruce Nauman und Paul McCarthy immer noch einen Grad an Theatralik und Übertreibung in sich, der selbst den abgebrühten 80er-Jahrgang irritiert.

Bruce Nauman: Pulling Mouth, 1969, 16 mm Film übertragen durch Video,  schwarz/weiß, stumm, Filmstill.

Doch was ist eigentlich Camp? Die Definition und die Unterscheidung von Camp, nicht Camp, campy, oder camping gestaltete sich anfangs für mich ehr schwierig. Der einleitende Text zur Ausstellung verrät, dass es sich bei Camp um eine „überpointierte Art der Wahrnehmung handelt, die sich im Zuge des Ästhetizismus und des Dandytums entwickelte.“ Somit lässt sich der Beginn des Camp Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts datierten. Wie wir es durch die Exponate der Ausstellung erleben können, entwickelte sich der Höhepunkt der Camp-Kunst in den 50er und 60er Jahren.

Tony Oursler, Sonic Youth: Tunic (Song for Karen), 1990, Video, Farbe, Ton, Filmstill. 

Was uns Julia Stoschek auch beibringt: Camp is not dead! Stetig entwickelt sich die Camp-Kultur weiter und kreiert verschiedenste kulturelle Produkte und Personen. Die Ausstellung bietet nicht nur Klassiker der Medienkunst, sondern auch aktuelle Werke von John Bock, Tony Oursler, Ryan Trecartin und Aura Rosenberg. Besonders steht die selbstironische und übertriebene Darstellung von Weiblichkeit im Vordergrund, wie sie oft in der homosexuellen Subkultur zu finden sind. Die Künstler spielen in ihren Werken mit der Erwartungshaltung der Zuschauer, sowie deren Werte- und Gesellschaftssystem.

Aura Rosenberg, Mike Kelley: Carmen, 1996, Farbfotografie,  Titenstrahldruck, 104 x 78 cm.

 Susan Sontag versuchte sich 1964 in ihrem Essay „Notes on Camp“ an einer Definition dieses Phänomens. Was Camp ausmacht und was nicht, ist sehr differenziell aufzufassen. Die wichtigsten Eigenschaften von Camp, die ich für mich herauslese sind: die Liebe zum Unnatürlichen; der Hang zum Ästhetizismus; eine starke Attitüde; verwirrende Geschlechtslosigkeit; Naivität; das Schaffen von alternativen Standards; etwas Spielerisches, Komisches an sich haben.

Ryan Trecartin: Sibling Topics (section a), 2009, Farbfilm, Ton, Filmstill.

Um sich einen Eindruck von Camp-Kunst zu machen und um sich eine Auszeit von der ernsten Realität zu nehmen ist die Ausstellung Number 6: Flaming Creatures gold richtig. Der Besuch wirkt belebend und bringt erfrischende Eindrücke mit sich.

Lara

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